Bundestag berät Entwürfe für Patientenverfügungsgesetz

21.01.2008 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Recht

Wie aufwändig ist es eine Patientenverfügung beurkunden zu lassen?

F.A.Z. 21. Januar 2008: Das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarskammer sammelt Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten - 140.000 pro Jahr. Die meisten davon sind notariell beglaubigt. Nicht aufwändig - aber hilft es denn?

Heute nachmittag wird sich der Bundestag in erster Lesung mit zwei sehr unterschiedlichen, von fraktionsübergreifenden Gruppen getragenen Gesetzentwürfen befassen, die die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen regeln wollen. Der eine Entwurf, der wesentlich von Wolfgang Bosbach (CDU), Rene Röspel (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) konzipiert wurde, sieht für sehr weitreichende Patientenverfügungen, die bestimmen, dass eine lebenserhaltende medizinische Behandlungsmaßnahme abgebrochen oder nicht aufgenommen werden soll, obwohl der Patient nicht an einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit leidet, erhöhte Anforderungen vor, damit sie zwingend wirken: es muss eine ärztliche Aufklärung vorausgegangen sein und die Verfügung muss notariell beurkundet werden. Die Debatte darum wird unter dem Begriff der „Reichweitenbegrenzung“ diskutiert, obwohl tatsächlich nicht die Reichweite von Patientenverfügungen begrenzt wird, sondern nur für bestimmte Konstellationen strengere Voraussetzungen gemacht werden um möglicherweise besonders fatal wirkende Fehlentscheidungen zu verhindern und auch dem Auftrag des Staates Leben zu schützen Rechnung zu tragen.

Dass für Menschen, die vorsorgen wollen, die Beurkundung einer Verfügung keine übertrieben hohe Anforderung stellt, zeigt der Alltag des zentralen Vorsorgeregisters, das die Bundesnotarkammer eingerichtet hat: Am 30. September 2008 waren hier über 800.000 Dokumente registriert, allein 2008 sind 140.000 neue, ganz überwiegend notariell beurkundete Vorabverfügungen hinzugekommen, die allerdings oftmals außer den gesundheitlichen Fragen auch noch Vermögensangelegenheiten regeln. Das Zentrale Vorsorgeregister, an das sich häufig die Vormundschaftsgerichte wenden, wenn sie in Betreuungsverfahren feststellen wollen, ob die Einrichtung einer Betreuung unnötig ist, weil bereits jemand eine Vollmacht hat, prüft allerdings nicht die Qualität der gemeldeten Verfügungen. Diese liegen dort auch nicht im Original vor. Es ist nur verzeichnet, wo sie hinterlegt sind.

Einen ganz anderen Weg verfolgt die Deutsche Hospizstiftung, die ebenfalls ein bundesweites Register betreibt. Hier sind derzeit an die 5000 Patientenverfügungen hinterlegt, die alle Ergebnis einer individuellen Beratung durch die Stiftung sind. Für den Ernstfall sind nicht nur die Erklärungen selbst hier verfügbar, es ist auch ihre Entstehung dokumentiert. Außerdem werden die Verfügenden jährlich daran erinnert, die Dokumente gegebenenfalls zu aktualisieren. Dieses Vorgehen führe dazu, erläutert der geschäftsführende Vorstand Eugen Brysch, dass in Konfliktfällen über die Fortdauer der Behandlung auch ohne Rechtsstreit die Ärzte, davon zu überzeugen seien, dem individuellen Patientenwillen zu folgen. Von einer dokumentierten Beratung, wie sie der Bosbach-Entwurf vorsieht, hält er auf Basis der Erfahrungen seiner Stiftung viel, wenn sie fachlich qualifiziert ist, die notarielle Beurkundung von weitreichenden Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten für Gesundheitsfragen hält er aus Gründen der Qualitätssicherung nicht für hilfreich: „Von den notariell beurkundeten Verfügungen, die wir bei uns in der Beratung zu sehen bekommen, kann man mehr als die Hälfte trotz Beurkundung nur zerreissen, weil sie inhaltlich nichts taugen.“

Weiterführende Links

    Mehr zum Thema im Biopolitikblog von Oliver Tolmein auf faz.net | http://faz-community.faz.net/blogs/biopolitik/archive/2009/01/21/patientenverf-252-gungen-und-selbstbestimmungsrecht.aspx

 

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