Strafexpedition gegen Transplantationsmediziner

22.08.2013 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Recht

Prozesseröffnung vor dem Landgericht Göttingen wegen versuchtem Totschlag

Vor dem Landgericht Göttingen macht die Staatsanwaltschaft dem Transplantationschirurgen Aiman O. den Prozess. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat dieses Jahr schon ein Vor-Urteil gesprochen, als es die Haftfortdauer angeordnet hat.

Der Prozess gegen den Transplantationschirurgen Aiman O., der jetzt vor dem Landgericht Göttingen begonnen hat, ist ein heikles Verfahren. Intuitiv möchte man den ehemaligen Leitenden Oberarzt an der Universitätsklinik Göttingen, der Daten seiner Patienten manipuliert hat, um ihnen eine bessere Position auf den Wartelisten zu verschaffen, bestraft sehen. Es ist auch schwer vorstellbar, dass der Skandal, der letztes Jahr die Schlagzeilen erobert und der die Organisation und Verfasstheit des deutschen Transplantationssystem in voller Blöße gezeigt hat, ohne strafrechtliche Aufarbeitung bleiben soll. Auf der anderen Seite zeichnet es ein liberales Strafrecht aus, dass es keine universelle Waffe gegen die Übel dieser Welt ist. Es ist geift nur in klar umrissenen Fällen und als die ultima ratio des Rechtsstaates – und das heißt, dass ersteinmal andere Mittel und Wege beschritten werden müssen. Das gilt in besonderem Maße für das System der Transplantationsmedizin in Deutschland, das seit vielen Jahren kritisiert wird, weil es keine effizienten Kontrollen kennt und weil es Entscheidungen von enormer Wichtigkeit an private Organisationen delegiert hat.

Seit dem 1. August diesen Jahres ist die Manipulation von Wartelisten in Paragraph 19 des Transplantationsgesetzes erstmals ausdrücklich als Straftat geregelt, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden soll. Aiman O. wird aber genau wegen solche Manipulationen, die er vor Änderung des Transplantationsgesetzes begangen haben soll, vorgeworfen, er habe wegen 11fachen Totschlag versucht- dafür gibt es als Mindestfreiheitsstrafe zwei Jahre. Aber warum hat der Gesetzeber einen neuen, vergleichsweise milden Straftatbestand geschaffen, wenn das Verhalten schon seit eh und je eine andere, weitaus strengere Bestrafung rechtfertigte ? Die weiteren Anklagepunkte, die Aiman O. Körperverletzung mit Todesfolge vorwerfen, weil er Patienten, die dann später starben, Lebern übertragen haben soll, obwohl diese eine Transplantation zu diesem Zeitpunkt gar nicht benötigten, wirken da erheblich plausibler als diese Straf-Expedition auf juristisches Neuland.

 

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