Das verordnete Geschlecht

Ein Dokumentarfilm über Zwitter und Körperpolitik von Oliver Tolmein und Bertram Rotermund Mit Michel Reiter und Elisabeth Müller

Für Ärzte ist Intersexualität eine Krankheit, die sie behandeln wollen. DieBetroffenen werden durch die Eingriffe aber nicht geheilt, sondern von frühester Kindheit an traumatisiert. Denn Zwitter sind nicht und fühlen sich nicht krank - sie fordern Anerkennung. Eines von 2000 Kindern wird ohne eindeutige Geschlechtsmerkmale geboren. In den westlichenI ndustriegesellschaften ist die Existenz von Zwittern aber ein Tabu: Dass es nur zwei Geschlechter gibt, Männer und Frauen, ist eine der grundlegenden gesellschaftlichen Normen, die nicht in Frage gestellt wird. Im Gegenteil: Auch heute werden schwerwiegende und irreversible chirurgische Eingriffe an den Genitalien von Kleinkindern vorgenommen, um sie einem der beiden Geschlechter anzupassen.

In "Das verordnete Geschlecht" geht es um die Geschichte von Zwittern - aber auch um die weiterreichende gesellschaftliche Bedeutung, die es hat, dass die Gesellschaft nur die Existenz von zwei Geschlechtern anerkennen will. Michel Reiter, der zum Mädchen gemacht wurde, und Elisabeth Müller,die genetisch, aber nicht hormonell, ein Mann ist, erzählen welchen Preis sie dafür zahlen mussten, dass die Vorstellung der Gesellschaft von Normalität erhalten bleiben. Weil ihre Eltern und die Ärzte nicht offen mit ihnen darübersprachen, dass sie Zwitter sind, lebten sie jahrelang mit dem traumatisierenden Gefühl, irgendwas an ihnen sei schrecklich falsch. Wie andere Zwitter musste Michel Reiter schwere chirurgische Eingriffe erdulden, um dem Geschlecht zu entsprechen, das ihm verordnet worden war.

Heute leben Elisabeth Müller und Michel Reiter offen als Zwitter. Michel Reiter hat ein Gerichtsverfahren angestrengt, um zu erreichen, dass auch amtlich anerkannt wird, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Ihm kommt es dabei nicht so sehr auf die Eintragung in seinen Pass ein. Wenn Zwitter als Zwitter anerkannt werden, so hofft er, werden auch die verstümmelnden geschlechtszuweisenden Operationen nicht mehr stattfinden dürfen.Der Film kontrastiert diese beiden Geschichten mit den Erzählungen von Juristen, Eltern und Ärzten, die meinen, dass es für intersexuelle Kinder das Beste sei, frühzeitig operiert zu werden, weil sie sonst als Außenseiter aufwachsen würden. "Das verordnete Geschlecht" ist ein Dokumentarfilm über Geschlechter- und Körperpolitik. Er zeigt wie gewalttätig sich der Zwang, normal zu sein und die Logik des "Ist es nicht das Eine, muss es das Anderesein" auswirken kann. Der Film plädiert dafür, dass in der Gesellschaft nicht Normalität und das Denken in einfachen Alternativen die Leitlinie ist, sondern Unterschiedlichkeit anerkannt und Gleichbehandlung sichergestellt wird.

Das verordnete Geschlecht

Kamera: Jörn Staeger
Musik: Schorsch Kamerun
Kameraassistenz: Marika Kavouras
Schnitt: Bertram Rotermund

Produktion: Abbildungszentrum Hamburg
Nernstweg 32 - 43
22765 Hamburg
Telefon: 040-8905004

Deutschland, 2001, 62 min, 35 mm

 

Gefördert von: FilmFörderung Hamburg, Kuratorium Junger Deutscher Film, Filmbüro Bremen, Landesmedienzentrale Bremen.

Kinos, die den Film zeigen wollen, wenden sich bitte an Bertram Rotermund oder Oliver Tolmein


Weitere Informationen
zum Film finden Sie auf: http://www.das-verordnete-geschlecht.de