Leichte Sprache – nicht Sprache light

07.03.2006 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Kultur

Hauptsätze sind barrierefrei, ausgefallene Fachbegriffe nur selten.

kompakt (Beihefter der Zeitschrift "zusammen" des Bundesverbandes der Körper- und Mehrfachbehinderten), 3/2006 : Warum ist es wichtig "leichte Sprache" zu verwenden und wie macht man es?

Lucky Luke ist ein Cowboy und er reitet ein Pferd das sprechen kann. Viele Worte machen beide aber nicht. Stattdessen spielen Ross und Reiter Karten. Oder Lucky Luke schießt auf die Türen eines Saloons und sein Pferd beschwert sich, weil es mit Hufeisen durch einen Fluss schwimmen soll. Auch Dagobert Duck, Supermann, Daisy, Charlie Brown und sogar Asterix sprechen lieber kurz und bündig. Wenn sie zu verwirrt sind oder zu verzweifelt um einen vollständigen Satz zu formulieren, knurren sie auch mal ein knappes „Zackwong“ oder seufzen gequält „urks“. Auch in Comics sprechen manche Figuren allerdings verschachtelt oder gebrauchen schwülstige Phrasen. Das sind aber zumeist Außenseiter, schräge Vögel, die niemand richtig ernst nimmt. Manchmal sind es auch gefährliche Bösewichter, die mit verquasten Worten ihre Wahnvorstellungen ausbreiten. In unserem oft gar nicht so komischen Alltag außerhalb der vielen kleinen Bildchen ist das anders. Hier bei uns, im wirklichen Leben, gibt es Verträge in denen ein Fremdwort sich ans nächste drängt. In besonders kleiner Schrift hat jemand dann noch Vorschriften angefügt, deren Sinn nicht einmal Richter gut verstehen. Oder man muss auf dem Amt einen Fragebogen ausfüllen, der sehr lang ist und der viele Worte enthält, die man nicht kennt. Im Internet stoßen Menschen auf zahlreiche Seiten, die interessant aussehen. Aber die Texte, die sie dort finden, sind oft kompliziert zu lesen. Über die Verträge, die Behördenformulare und die schwierig zu lesenden Internetseiten lacht aber niemand. Sie sind auch nicht Ausdruck von Wahnideen, fast alle finden sie normal. Jede schreibt und spricht eben so, wie es ihr in den Sinn kommt – wer nicht versteht ist selber schuld.

Dabei sagen heute viele Politiker oder Lehrer, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben sollen. Wir alle sollen Barrieren beseitigen. Behörden sollen barrierefrei sein: Deswegen ersetzt jemand Treppenstufen durch Rampen. Das Internet soll barrierefrei sein: Deswegen sind Tabellen und verschachtelte Layouts verpönt. Dass auch Sprache Barrieren schaffen kann, wird nur langsam zur Kenntnis genommen. Immerhin. Der Gesetzgeber hat mittlerweile sogar eine Vorschriftbeschlossen, die „Kommunikationshilfeverordnung“ heißt. Das ist aber nicht nur ein sehr schwieriges Wort. Die „Kommunikationshilfeverordnung“ und andere Regeln, die es mittlerweile gibt, helfen auch nur einige, wenn auch sehr schlimme Barrieren zu überwinden. Für Menschen die schlecht oder gar nicht sehen können gibt es technische Lösungen, die ihnen helfen: Programme, die geschriebene Texte vorlesen können zum Beispiel. Menschen, die nicht hören können, haben ihre eigene Sprache: die Deutsche Gebärdensprache. Menschen, die komplizierte Formulierungen und schwierige Worte nicht verstehen können, brauchen aber auch Unterstützung. Die „leichte Sprache“ für die sich Gruppen wie „Menschen zuerst e.V.“ oder die „Lebenshilfe“ einsetzen, bietet vielen Menschen die Möglichkeit Texte zu lesen und an Gesprächen teilzuhaben von denen sie sonst ausgeschlossen wären. Leichte Sprache ist gut für Menschen, die Lernbehinderungen haben. Leichte Sprache ist aber auch gut für Menschen, die nicht gut Deutsch können. Vor allem ist leichte Sprache aber auch gut für Menschen, die sich mit Gesundheit beschäftigen, oder die Recht sprechen oder die Gesetze schreiben. Auch für Menschen, die anderen Menschen etwas beibringen wollen und für Menschen, die sich gerne mit vielen unterschiedlichen Menschen unterhalten wollen, ist leichte Sprache wichtig. In einfacher Sprache zu denken oder zu schreiben zwingt einen nämlich, sich genau zu überlegen, was man ausdrücken möchte. Goethe wird nachgesagt, er habe am Ende eines sehr langen Briefes geschrieben „Entschuldige bitte, aber ich hatte keine Zeit mich kurz zu fassen.“ Auch sich verständlich auszudrücken braucht Zeit und Konzentration.

Für Profis ist das Arbeitszeit, die sie aufwenden müssen, um erfolgreich zu sein. Für Comicautorinnen hängt davon ab, ob ihre Pointen das Publikum erreichen. Aber es gibt auch Menschen, die aus anderen Gründen, ihren Ehrgeiz daran setzen sehr komplizierte Sachverhalte möglichst leicht und einfach dazustellen. Ein Beispiel dafür ist der Physiker Albert Einstein. Einstein ist nicht weltberühmt geworden ist, weil er die Tafeln mit höchst raffinierten, letzten Endes aber unverständlichen Formeln bekritzelt hat. Einstein hat es geschafft, seine Relativitätstheorie, die die moderne Naturwissenschaft enorm beeinflusst hat, auf ganz einfache Art und Weise darzustellen. Er hat sie in die schlicht wirkende Formel gebracht: E=mc2 . Jeder Körper einer bestimmten Masse m birgt auch eine bestimmte Energie E in sich (c ist die Lichtgeschwindigkeit). Dennoch ist die Relativitätstheorie nicht leicht zu verstehen. Auch viele Gesetze sind schwer zu verstehen. Auch was Aktien sind, wie eine Bank funktioniert oder warum es in vielen Ländern Hungernot gibt, ist sehr schwierig zu erklären. Aber wenn es jemandem gelingt, das Schwierige einfach darzustellen und zu erklären hilft das schon viel. Ein gutes Beispiel dafür, dass „leicht“ nicht heißt „falsch“ oder „oberflächlich“ sind die „Logo“-Nachrichten auf dem Kinderkanal: Jeden Tag werden dort Informationen über einen komplizierten Konflikt auf der Welt gegeben. Die „Logo“-Redakteure benutzen dafür klare Worte, kurze Sätze, anschauliche Bilder und sie nehmen sich etwas mehr Zeit. Das Ergebnis ist eine Nachricht, mit der auch viele Erwachsene mehr anfangen können als mit den Meldungen der „Tagesschau“.

Kasten:

Auch leichte Sprache:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln

Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein
schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

J.W. Goethe

Tipps:

Jede und Jeder kann sich einfacher ausdrücken. Meistens reicht es, sich einen Text noch einmal laut vorzulesen. Dabei merkt man meistens schon, wo er zu schwierig formuliert ist.

In „leichter Sprache“ sind die Sätze kurz. Auch sehr lange Wörter sollte man vermeiden.
Mit jedem Satz nur eine Aussage machen. Sonst werden die Sätze verschachtelt. Verschachtelte Sätze sind in „leichter Sprache“ verboten.
Möglichst den Konjunktiv vermeiden.
Metaphern sind oft schwer zu verstehen. Wieso es gut ist, etwas „auf den Punkt zu bringen“ bleibt für manche Menschen ein Rätsel.
Wer anschaulich schreiben oder sprechen möchte, soll Beispiele verwenden.
Fachworte oder Fremdwort soll man nur ganz selten gebrauchen.
Wer ein Fachwort verwendet, soll es auch erklären.
Abkürzungen muss man mindestens einmal ausschreiben.
Vieles können Sie von vornherein in „leichter Sprache“ sagen oder schreiben. Aber manchmal kann man das nicht. Wenn Sie einen Text nicht von Anfang an in „leichter Sprache“ schreiben können, ist es gut ihn zu übersetzen.

 

Zurück zur Übersicht