10 Jahre Strafverfolgung von Geldwäsche

15.07.2002 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Recht

Der § 261 StGB und seine Geschichte

WDR Zeitzeichen, 15. Juli 2002: Geldwäsche - der ausführlichste Straftatbestand des Strafgesetzbuches und eine rechtsstaatlich äußerst bedenkliche Konstruktion. Der Hörfunkbeitrag dokumentiert, wie es dazu kam und warum das BKA es heute für einen Erfolg hält, dass auf viele tausend Verdachtsanzeigen kaum ein Dutzend Verurteilungen pro Jahr erfolgen.

Autor: Die Rote Armee Fraktion hatte im April 1992 gerade erst erklärt, künftig keine Attentate mehr zu verüben, da lief die Gesetzgebungsmaschinerie zur Inneren Sicherheit im Deutschen Bundestag wieder an, als wäre nichts geschehen. Das neue umfassende Paragrafenwerk, das zum 15. Juli 1992 in Kraft trat, richtete sich allerdings nicht gegen den Terrorismus. Die aktuelle Gefahr drohte, so die Auffassung der Sicherheitsfachleute, von der Organisierten Kriminalität. Am 4. Juni 1992 eröffnete Bundestags-Vizepräsident Hans Klein die Debatte:

(1) O-Ton Bundestag: Ich rufe Tagesordnungspunkte 10 sowie die Zusatzpunkte 6 und 7 auf: 10.a) Zweite und Dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfes eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) - Drucksache 12/989 -

1. Sprecherin: Das neue Gesetz gab der Polizei eine Vielzahl zusätzlicher Kompetenzen für Ermittlungen. Der damit eingeführte § 110a der Strafprozessordnung regelte erstmals gesetzlich den Einsatz von verdeckten Ermittlern und erlaubte den Behörden zur Sicherung von deren Legende falsche Urkunden herzustellen. Die Rasterfahndung wurde legalisiert, die Befugnisse zum Abhören des Fernmeldeverkehrs erweitert und die neue Vorschrift des § 163e StPO erlaubt seitdem die langfristige heimliche polizeiliche Beobachtung von Verdächtigen und die Erhebung von Daten, um so ein Bewegungsbild erstellen zu können.

Autor: Datenschützer kritisierten, das umfangreiche Gesetzespaket lasse den "großen Bruder" Wirklichkeit werden. Vor allem zielten die damals mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedeten Regelungen aber darauf zu verhindern, dass Rechtsbrecher mit dem Gewinn aus ihren Straftaten reich werden und Vermögen ansammeln können. Der SPD-Abgeordnete Jürgen Meyer erläutert in seiner Bundestagsrede die Motive für diesen Schritt:

(2) O-Ton Bundestag: Jürgen Meyer: Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Dokument der gemeinsamen Überzeugung aller Bundestagsfraktionen, dass die organisierte Kriminalität eine Herausforderung und Bedrohung für Staat und Gesellschaft geworden ist. Nach einer kriminologischen Untersuchung liegen die Gewinne aus dem Heroinhandel allein in der Bundesrepublik bei jährlich etwa 1,5 Milliarden Mark. Diese Gewinne müssen gewaschen werden, denn ohne Geldwäsche ist die organisierte Kriminalität bekanntlich nicht existenzfähig. Es ist ein trauriges Ergebnis der jahrelangen Untätigkeit dieser Bundesregierung, dass unser Land inzwischen zum westeuropäischen Dorado für Geldwäscher geworden ist.

Musik: "Money" von Pink Floyd, Dark Side of the Moon
Money, get away
Get a good job with more pay and you're O.K.
Money, it's a gas

Autor: Damit es die Geldwäscher auch in Deutschland künftig schwerer haben sollten, wurde ein neuer Straftatbestand geschaffen. Der Paragraf § 261 Strafgesetzbuch sieht für Geldwäsche und Verschleierung unrechtmäßiger Vermögenswerte schwere Strafen vor. Bis zu zehn Jahren Haft drohen Menschen, die Geld waschen. Was Geldwäsche allerdings ist, vermag das neue Gesetz nur sehr vage zu formulieren. Strafbar handelt demnach wer:

2. Zitator: Einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat eines anderen herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind: 1. Verbrechen, 2. Vergehen nach § 29 Absatz 1 Satz Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 29 Absatz 1 Nummer 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes. 3. Vergehen nach den §§ 246, 263, 264, 266, 267, 332 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3 oder nach § 334, die von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig begangen worden sind, sowie...

Musik: Pink Floyd, Dark Side of the Moon, Money:
Money, get back
I'm all right Jack, keep your hands off my stack.
Money, it's a hit
Don't give me that do goody good bullshit
I'm in the hi-fidelity first class travelling set
And I think I need a Lear jet

1. Sprecherin: Zehn lange Abschnitte musste der Gesetzgeber formulieren, um sicherzustellen, dass Polizei, Richter und Staatsanwälte mit der neuen Vorschrift so effizient arbeiten können, wie es sein sollte. Zum Vergleich: Um einen klassischen Straftatbestand wie Diebstahl zu formulieren, brauchte der Gesetzgeber gerade mal fünf Zeilen. Und selbst die als kompliziert geltende Strafvorschrift, die "Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr" verbietet, kommt mit 6 Absätzen aus. Der Geldwäschetatbestand war so auf Anhieb rekordverdächtig - und ist es bis heute: Es ist der ausführlichste Straftatbestand des deutschen Strafgesetzbuches.

Autor: Dass es dem Gesetzgeber so schwer fiel in Worte zu fassen, was nicht erlaubt ist, hat mit der schwer durchschaubaren Materie zu tun, denn die so genannte Wäsche von Geld unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht nicht von dem, was normalerweise mit Geld gemacht wird. In der Neuen Juristischen Wochenschrift bilanziert Regierungsdirektor Wolfgang Hetzer die Schwierigkeiten bei der Bekämpfung der Geldwäsche:

2. Zitator: In einer Erfolgsgesellschaft spricht Geld für sich. Vermögen ist eine selbstreferentielle Legitimationsform geworden. Dieser mentale Untergrund begünstigt die Organisierte Kriminalität. Deren oberstes Ziel ist die Erlangung größtmöglichen Gewinns mit geringstmöglichem Einsatz. Ökonomische Rationalität gilt auch, wenn Organisierte Kriminalität ihre Gewinne aus strafbaren Handlungen schöpft. Viele der an ihr Beteiligten sind einem Tätertypus zuzuordnen, der nicht mehr nur die Rolle des seriösen Geschäftsmannes spielt, sondern in vielerlei Hinsicht das seriöse Geschäftsleben verkörpert. Für die Organisierte Kriminalität ist die Begehung von Straftaten nur ein Instrument (neben legalen Mitteln). Formell besteht zwischen dem Idealtyp einer kriminellen und einer legalen Organisation kein Unterschied.

Autor: In der Neuen Rhein Zeitung wird kurz vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes denn auch ein beeindruckendes Beispiel erwähnt:

2. Sprecher: Mafia wäscht Drogengelder im Osten. Schmutziges Geld der Verbrecherorganisation kurbelt nach Erkenntnissen des italienischen Geheimdienstes in Ostdeutschland die Wirtschaft an. Von den bisherigen Investitionen in den Ostländern sollen rund 72 Milliarden, ein Drittel der Gesamtinvestitionen des letzten Jahres, aus Mafia-Kanälen stammen.

Autor: Ob diese Zahlen realistisch waren, ob es die heute genannten Milliardenbeträge sind, die angeblich Jahr für Jahr in Deutschland gewaschen werden, kann niemand sagen. Denn Organisierte Kriminalität, Mafia und "schmutziges Geld" sind nach wie vor keine juristisch präzise bestimmten Begriffe. Und die Angaben von Geheimdiensten sind nicht immer vertrauenswürdig. Tatsache ist jedenfalls, dass die Fälle von Geldwäsche, die in den zehn Jahren seit Einführung des Straftatbestandes vor Gericht gekommen sind, noch im zweistelligen Bereich liegen. Für die Kriminalstatistik sind das Peanuts. Für die Referatsleiterin Geldwäsche im Bundeskriminalamt ist die Diskrepanz von mehreren tausend Verfachtsanzeigen und knapp über 80 Verurteilungen allerdings kein Grund zur Entwarnung:

(3) O-Ton Dr. Vogt: Geldwäsche ist sicherlich kein Massendelikt, es geht dort eher um die Qualität der Straftaten. Wenn ich von dem professionellen Geldwäscher spreche, der für organisiert kriminelle Kreise arbeitet, dann ist das nichts, was jeden Tag vorkommt, sondern wir haben es hier schon mit einem exklusiveren Delikt zu tun. Vor allem ist das Dunkelfeld aber nicht einschätzbar.

(4) O-Ton Bundestag (Norbert Geis):Wir müssen gesetzliche Regelungen schaffen, die Polizei und Staatsanwaltschaft in die Lage versetzen, die Verbrechen wirksam zu verfolgen. Bei diesem Kampf werden unsere Bürgerinnen und Bürger auch Einschränkungen hinnehmen. Nicht der Staat allein kann Verbrechen bekämpfen, sondern er muss mit der Mithilfe der Bürger rechnen dürfen. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf kann deshalb nur der erste Schritt sein.

Autor: Die Vorstellung des CSU-Abgeordneten Norbert Geis, dass weitere Schritten folgen müßten, ist längst Wirklichkeit geworden. Kaum ein Jahr ist vergangen, in dem nicht neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche ergriffen worden sind. Die geringe Zahl der Verurteilten, das vermutete dramatische Ausmaß der Gefahr haben den Gesetzgeber ermutigt den Anwendungsbereich des Geldwäschetatbestandes stetig zu erweitern und neue ergänzende Vorschriften zu verfassen, die das Gesetz flankieren.

1. Sprecherin: Dabei ging es zum einen darum, die Anwendung des Gesetzes auf immer neue Gelder zu erreichen. Heute bietet beispielsweise schon die schwere Steuerhinterziehung einen Anknüpfungspunkt für die Verfolgung strafbarer Geldwäsche. Zudem war es aber auch wichtig, zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen, die Geldströme zu kontrollieren. Die wichtigste nach Verabschiedung des Geldwäschetatbestandes beschlossene Vorschrift, die dabei helfen soll, ist das "Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten".

Autor: Dessen Ziel ist es, den Ermittlungsbehörden dort Einblick zu verschaffen, wo es normalerweise am schwersten fällt. Das Gesetz verkehrt für bestimmte Fälle das Bankgeheimnis in sein Gegenteil. Es verpflichtet Banken bei Einzahlung von hohen Bargeldbeträgen die Personalien des Einzahlers aufzunehmen. Bei Transaktionen, die mit Geldwäsche in Zusammenhang stehen könnten, müssen die Kreditinstitute sogar Anzeige erstatten. Nach Auffassung von Rechtsanwalt Professor Rainer Hamm ist die Bekämpfung der Geldwäsche damit Ausdruck einer bedenklichen Tendenz in der deutschen sicherheitspolitischen Landschaft.

(5) O-Ton Rainer Hamm: Das Gesetz ist kein einmaliger Ausreißer. Es passt in die rechtspolitische Landschaft, die geprägt ist durch eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes. Man bedroht nicht mehr mit strafe, was eindeutig gegen Rechtsgüter gerichtet ist und man bezieht Private mit in die Strategien der Strafverfolgung ein, wenn sie etwas tun, was zunächst einmal wertneutral ist, nämlich einen Kaufvertrag abschließen . Der Geldwäschetatbestand ist ein Beispiel für die zunehmende Tendenz, Private in die Arbeit des Staates einzubeziehen. Zugespitzt gesagt werden damit alle Mitarbeiter aller Banken zu Hilfssheriffs gemacht.

Autor: Für die BKA-Beamtin Vogt ist die Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Banken dagegen ein unverzichtbarer Bestandteil der Verbrechensbekämpfungs-Strategie. Ganz allein auf die Anzeigebereitschaft der Privaten will sich die Regierungsdirektorin aber auch nicht verlassen.

(6) O-Ton Regierungsdirektorin Vogt: Es ist deutlich zu sagen, dass das Geldwäschegesetz für die Banken die Verpflichtung schafft Anzeige zu erstatten, das ist wesentlich für unsere Arbeit, aber polizeiliche Ermittlungsarbeit bekommt Informationen auch aus anderen Bereichen. Der verdeckte Bereich spielt da eine große Rolle. Bei Betäubungsmittel-Delikten gibt's immer auch Hinweise auf Geldwäsche. Also Banken plus eigene Ansätze im Ermittlungsbereich, das zusammen bringt uns weiter.

Pink Floyd
Money, it's a crime
Share it fairly, but don't take a slice of my pie
Money, so they say
Is the root of all evil today
But if you ask for a rise, it's no surprise
that they're giving none away

Autor: Geldwäsche, wie sie das Strafgesetzbuch seit 1992 unter Strafe stellt ist aber nicht nur ein besonderer Tatbestand, weil er so weit formuliert ist und sich die Polizei zur Ermittlung von Tätern in erheblichem Umfang Hilfe von privaten Unternehmen wie Banken oder Finanzdienstleistern erzwingen kann. Verdächtige haben es auch besonders schwer, sich gegen den Vorwurf, sie betrieben Geldwäsche zu verteidigen. Denn wollen sie einen Rechtsanwalt als Strafverteidiger engagieren müssen sie ihm dafür ein Honorar zahlen.

1. Sprecherin: Muss der Anwalt aber befürchten, dass das Geld seines Mandanten aus einer Straftat stammt, darf er es nicht entgegennehmen - andernfalls machte er sich selbst strafbar: Wegen Geldwäsche.

Autor: Die Unschuldsvermutung gilt für Verdächtige, denen Geldwäsche vorgeworfen wird mithin nur eingeschränkt. Selbst der Verteidiger muß seinen Mandanten unterstellen, dass ihr Geld aus unlauteren Quellen stammt und darf es deshalb nicht annehmen - es sei denn er ist bereit das hohe Risiko einzugehen im Fall einer Verurteilung der Angeklagten selbst ein Strafverfahren auf sich zu nehmen.

1. Sprecherin: Der Bundesgerichtshof hat vor fast einem Jahr in einer vielbeachteten und kritisierten Entscheidung die Verurteilung von zwei Strafverteidigern wegen Geldwäsche bestätigt. Die beiden Anwälte hatten als Wahlverteidiger hohe Honorare von Mandanten entgegengenommen, die wegen schweren Betrugs angeklagt und verurteilt worden waren. Der Bundesgerichtshof mochte, anders als die Standesorganisationen der Rechtsanwälte und viele Rechtswissenschaftler, kein Problem in einer solchen Verurteilung sehen:

2. Zitator: Zwar steht jedem Beschuldigten das Recht zu, sich des Beistands eines Verteidigers seiner Wahl zu bedienen. Dieses durch das Rechtsstaatsprinzip verbürgte Recht setzt aber voraus, dass der Mandant das Honorar für einen oder mehrere Wahlverteidiger aufbringen kann. Verfügt er nicht über ausreichende Mittel, hat er den Anspruch auf Pflichtverteidigung. Ein Beschuldigter, der lediglich über bemakelte Vermögenswerte verfügt, ist einem mittellosen Beschuldigten gleichzustellen. Damit sind seine Rechte ausreichend gewahrt.

1. Sprecherin: Gegen diese Entscheidung haben die verurteilten Rechtsanwälte Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie sehen das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant in Gefahr, wenn sie den Angeklagten, die sie verteidigen wollen, künftig unterstellen müssen, das die Honorare aus unlauteren Quellen stammen könnten.

Autor: Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Beschwerde offenkundig sehr ernst und hat jetzt Stellungnahmen dazu angefordert. An seinem zehnten Geburtstag könnte sich so herausstellen, dass das Geldwäschegesetz wenigstens in Teilen verfassungswidrig ist. Die anderen Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandeld und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sind allerdings längst etabliert und fortgeschrieben worden. Zuletzt mit dem Sicherheitspaket II von SPD-Innenminister Otto Schily. Nur dass heute wieder, wie einst in den Siebziger Jahren, der Terrorismus die Ausweitung verdeckter Zugriffsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden, die Durchführung der Rasterfahndung oder die Schaffung neuer Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation legitimiert.

Happy Birthday, Rechtsstaat.

Weiterführende Links

    BGH Entscheidung zu Geldwäsche durch Strafverteidiger | http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/00/2-513-00.php3
    Stellungnahme des Anwaltsvereins zur Neufassung des Geldwäschetatbestandes von 2001 | http://www.ag-strafrecht.de/stellungg10.htm
    Artikelliste aus der Financial Times Deutschland zu Geldwäsche | http://www.ftd.de/ub/fi/1014398931457.html?nv=se

 

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