Das Anti-Folter-Komitee der UNO tagt und Israel stand am Pranger
22.11.2001 | AutorIn: Dr. Oliver Tolmein | Internationales Recht
Gesendet: WDR - Kritisches Tagesbuch 22.11.2001
Über 126 Staaten haben die Anti-Folter-Konvention der UNO seit ihrem Inkrafttreten 1984 unterzeichnet. Damit haben Sie sich nicht nur verpflichtet auf Folter zu verzichten und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Folter zu verhindern. Sie müssen auch vor einem Ausschuss aus zehn weltweit anerkannten Sachverständigen alle vier Jahre Bericht erstatten, was sie getan haben, um ihre Verpflichtungen umzusetzen. Morgen geht die 27. Sitzungsperiode des Anti-Folter-Ausschusses zu Ende: Saudi-Arabien hatte kurzfristig erklärt den dieses Jahr den geforderten Bericht nicht abzugeben - und entzog sich damit der zu erwartenden harschen Kritik an den Menschenrechtsverletzungen durch seine Sicherheitskräfte. So konnte sich das Gremium nur mit den Verhältnissen in der Ukraine, in Benin, Sambia, Indonesien und Israel befassen. In keinem dieser Länder sind die Bestimmungen der Anti-Folter-Konvention vollständig ins nationale Recht umgesetzt - ein Defizit, das alle fünf Staaten ändern wollen. In Israel ist allerdings mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes, der 1999 jede gewaltsame Vernehmung von Gefangenen durch Polizei und Geheimdienste verboten hat, ein vergleichsweise hohes Maß an rechtlichem Schutz vor Folter gewährleistet. In der Ukraine dagegen werden nach einer Untersuchung des ukrainischen Ombudsmannes für Menschenrechtsfragen noch annähernd ein Drittel aller Häftlinge gefoltert. Auch in Sambia sind schwere Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen des Staates keine Seltenheit. Immerhin ist dort seit der Einrichtung einer unabhängigen Menschenrechtskommission, der Druck auf Polizei und Sicherheitskräfte erhöht worden, das auch in der Verfassung verankerte Folterverbot einzuhalten. Zwei Polizeioffiziere, die für den Tod von zwölf Gefangenen verantwortlich sind, wurden letztes Jahr wegen Totschlags zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.
Die Debatte über die Lage in Israel, die sich über zwei Tage erstreckte, geriet besonders kontrovers. Israel kritisierte den Berichterstatter der Anti-Folter-Kommission, weil er mehrere Berichte palästinensischer und libanesischer Gefangener über schwere Misshandlungen ungeprüft vorgetragen hatte. Einige dieser Gefangenen hatten in Schadensersatzprozessen vor israelischen Gerichten aber eine ganz andere, deutlich weniger dramatische Version der Vorfälle vorgetragen - und in einigen Fällen auch Entschädigungen für die Vorfälle erhalten. Die Debatte über die Verhältnisse in Israel erhielt aber jenseits der konkreten Vorwürfe auch dadurch grundsätzlichen Charakter, dass die israelische Regierungsdelegation die Bestimmungen der Anti-Folter-Konvention teilweise deutlich einschränkender interpretierte, als der UN-Ermittler undd amit die Frage nach der Reichweite der Konvention aufgeworfen wurde. Die Anwendung leichter physischer Gewalt, die in Israel zwar nicht erlaubt sei, aber vereinzelt in Notstandssituationen, wenn Anschläge drohten ausgeübt werde, sei noch keine Folter, die in Artikel 1 der Konvention als vorsätzliche Zufügung großer körperlicher oder seelischer Schmerzen definiert wurde. Auch Maßnahmen wie die Zerstörung von Häusern oder die Sicherungsverwahrung palästinensischer Hamas-Aktivisten ist nach Auffassung Israels jedenfalls nicht durch die Anti-Folter-Konvention verboten. Die Debatte über das Maß von Schutz, dass die Anti-Folter-Konvention unter allen Umständen bieten muß, wird in den nächsten Monaten angesichts der weltweiten Offensive gegen den Terrorismus intensiver werden. Deswegen insistierten in begleitetenden Kommentaren zu dieser Sitzungsperiode insbesondere amnesty international und die in den USA angesiedelte internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf einer möglichst umfassenden Auslegung der Bestimmungen der UN-Anti-Folterkonvention.
Aber selbst bei einer restriktiven Auslegung der Bestimmungen, das wurde im Verlauf dieser 27. Sitzungsperiode deutlich, ist Folter längst nicht aus der Welt, sondern häufig geübte Praxis. Und der Druck sie effektiv zu ächten ist durch die Ereignisse und Debatten seit dem 11. September nicht gerade größer geworden.
Dateien:

1153407215.pdf(PDF Dokument, 10,93 Ki Größe)
Weiterführende Links
- Komitee gegen Folter | http://www.unhchr.ch/html/menu2/6/cat.htm
- Amnesty International über Israel und die besetzten Gebiete | http://www.amnestyusa.org/countries/israel_and_occupied_territories/
- Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Israel gegen Folter | http://www.btselem.org/Files/site/english/torture/HCJ_Ruling_Part1.asp
- Umfangreiche internationale Link-Liste zu Folter | http://www1.umn.edu/humanrts/links/torture.html