Denn es ist Blutgeld

23.09.2003 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Internationales Recht

Die Spur vom Konto in den Kongo: Der Weltanwalt ermittelt

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2003, Nr. 221 / Seite 40: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes betreibt seine Vorermittlungen gegen Kriegsverbrecher in der Demokratischen Republik Kongo vorerst wie ein Wirtschaftsstrafverfahren.

Wenn der Chefankläger des neuen Internationalen Strafgerichtshofes über seine Vorermittlungen gegen Kriegsverbrecher in der Demokratischen Republik Kongo berichtet, projiziert er gerne ein großes Bild der Weltkarte an die Wand: Von dem ehemals Zaire genannten zentralafrikanischen Staat führen Pfeile in fast alle wichtigen Industriestaaten. Es sind, wie Luis Moreno-Ocampo dann erläutert, die Wege des Geldes. Moreno-Ocampo, der vor seiner Berufung an den Internationalen Strafgerichtshof auch Berater von "Transparency International" war, einer weltweit aktiven Nichtregierungsorganisation, die sich der Bekämpfung von Korruption verschrieben hat, ist davon überzeugt, daß ihn das Geld auf die Spur der Hauptverantwortlichen für die Plünderungen und Massaker bringen kann, denen seit dem Inkafttreten des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vor gut einem Jahr mehr als 5000 Zivilisten zum Opfer gefallen sein sollen.

Vor allem hoffen Moreno-Ocampo und sein Team, daß diese Ermittlungen ihm leichter fallen werden als Ermittlungen vor Ort, für die er auch gar kein Personal hat. Das Geld fließt nämlich über Banken, und die sind aufgrund nationaler Gesetze und internationaler Vorschriften mittlerweile in großem Umfang verpflichtet, Strafverfolgungsbehörden Auskunft darüber zu geben, wer Konten bei ihnen innehat und welche Transaktionen über diese Konten abgewickelt werden. Diese Informationen müssen die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, bei dem noch längst nicht alle Planstellen besetzt sind, auch nicht selbst einholen - nach dem Statut des Gerichts sind die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit verpflichtet. Moreno-Ocampo kann hier also Unterstützung anfordern.

Die Idee ist raffiniert. Und sie folgt einem Pfad, den die Vereinten Nationen vorgegeben haben, als sie eine Expertenkommission einsetzten, die die "Illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen und anderer Formen von Reichtum der Demokratischen Republik Kongo" erforschen sollte. Dieser Expertengruppe, die ihren Abschlußbericht noch nicht vorgelegt hat, sollte neben belgischen Diamantenhändlern, der britischen Barclays Bank oder südafrikanischen Minenunternehmen auch die deutsche Bayer AG berichten.

Wie erfolgreich diese auf ökonomische Durchleuchtung von außen setzende Strategie ist, wird sich erst noch weisen. Gegenwärtig sammelt Moreno-Ocampo ja nur Informationen. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gibt es erst, wenn er nach Vorlage seiner ersten Berichte von der Kammer der Untersuchungsrichter ermächtigt wird, es einzuleiten.

Manche Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die die Ermittlungen des Chefanklägers grundsätzlich mit kritischer Sympathie verfolgen, befürchten, daß der ehemalige argentinische Staatsanwalt auf diese Weise gerade mit westlichen Staaten in Konflikt geraten könnte, die wichtige Geldgeber des Strafgerichtshofes sind: Deren Interesse, in Ermittlungen einbezogen zu werden, die in erheblichem Maße internationale Großbanken in die Pflicht nehmen, wird als gering eingeschätzt. Andere NGO-Vertreter sehen auf diesem Ermittlungsweg gute Chancen für den Chefankläger, tatsächlich an die Hauptverantwortlichen für die schweren Verbrechen zu gelangen, die trotz formellen Waffenstillstands in der am härtesten umkämpften Provinz Ituri und trotz der Bildung einer "Koalition der nationalen Einheit" durch die wichtigsten der Konfliktparteien andauern. Und nur an Anklagen gegen Hauptverantwortliche hat Moreno-Ocampo ein Interesse.

Die Strategie, die beispielsweise das Internationale Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien in seiner Anfangszeit verfolgte, auch einfache Soldaten und Lageraufseher anzuklagen, um überhaupt mit Verfahren beginnen zu können, ist für den Internationalen Strafgerichtshof aus vielen Gründen keine Alternative. Ein wichtiger Grund sind die begrenzten finanziellen Ressourcen des neuen Strafgerichts, das nicht wie die Ad-hoc-Kriegsverbrechertribunale aus UN-Geldern finanziert wird, sondern durch Beiträge der Vertragsstaaten, von denen viele nicht über nennenswerte finanzielle Möglichkeiten verfügen. Entsprechend knapp wird denn auch in Den Haag kalkuliert: Gerade mal die Kosten für dreißig Zeugen, die in Den Haag vernommen werden sollen, sind für 2004 ins Budget eingestellt. Dem Chefankläger stehen für seine gesamten Ermittlungen im selben Jahr knapp zwei Millionen Euro zur Verfügung, darin sind die Personalkosten für die Ermittlungsteams bereits eingeschlossen.

Folgenreicher als die begrenzten Ressourcen ist, daß Moreno-Ocampo seine Vorermittlungen gegenwärtig noch von außerhalb des Landes führen muß, gestützt nur auf Angaben von UN und Nichtregierungsorganisationen. Aber auch ansonsten wird es der Chefankläger schwer haben, Beweise zu sichern und Verdächtige zu verhaften. Während das Internationale Ad-hoc-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien oder das Ad-hoc-Tribunal für Ruanda jeweils den UN-Sicherheitsrat mit seinen Machtmitteln in der Hinterhand haben, steht der Internationale Strafgerichtshof auf sich gestellt da. Lediglich die Vertragsstaaten selbst sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. Nicht dagegen UN-Organisationen, weswegen völlig offen ist, ob beispielsweise die Angehörigen der UN-Blauhelm-Truppe MUNOC den Chefankläger bei seiner Arbeit durch Sicherung von Beweisen oder Festnahme von Verdächtigen unterstützen werden.

Immerhin: Der Sprecher der afrikanischen Staaten hat am Rande der zweiten Vertragsstaatenkonferenz des Internationalen Strafgerichtshofes in New York Anfang September die gegenwärtig laufenden Vorermittlungen begrüßt. Allerdings stellte er in diesem Zusammenhang auch die Forderung, daß schnellstmöglich ein Jurist aus einem afrikanischen Staat einen führenden Posten in Moreno-Ocampos Team bekleiden müßte. Auch die Demokratische Republik Kongo, die als sechzigster Staat im April 2002 das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes unterzeichnet hat, selbst ist zur Kooperation mit dem Chefankläger bereit.

Wie der Rechtsberater des Außenministeriums, Zenon Mukongo, im Gespräch mit dieser Zeitung sagte, würde die Demokratische Republik Kongo die entsprechenden Verfahren allerdings lieber noch mit Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofes unter eigener Regie führen. Das hält allerdings Pascale Kambale, für diesen Konflikt zuständiger Koordinator von "Human Rights Watch", angesichts des vollständigen Fehlens einer Infrastruktur für Gerichte für ausgeschlossen: "Gegenwärtig gibt es kein einziges Gericht mehr in Ituri und keinen einzigen Richter, so daß der Aufbau des gesamten Strafverfolgungsapparates bei Null beginnen muß."

Weiterführende Links

    Informationen zur Demokratischen Republic Kongo | http://www.kongo-kinshasa.de/

 

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