Schily kann auch anders

13.07.2004 | AutorIn:  Dr. Oliver Tolmein | Recht

Das neue Transsexuellengesetz läßt auf sich warten

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.07.2004, Nr. 160 / Seite 38: Das Transsexuellengesetz ist 24 Jahre alt - und gibt viel Anlaß zu Kritik. Die rot-grüne Koalition hat vor Jahren versprochen es zu ändern. Geschehen ist seitdem wenig.

Bundesinnenminister Otto Schily ist als entscheidungsfreudiger Minister bekannt. Pünktlichkeit und Fleiß sind Tugenden, die er schätzt. Manchmal allerdings ziehen sich auch in seinem Haus Vorgänge so in die Länge, wie man es von einer ordentlichen Bürokratie erwarten kann. Bereits in der 14. Legislaturperiode wollte die rot-grüne Koalition ein neues Transsexuellengesetz auf den Weg bringen. Eckpunkte dafür wurden vorgestellt. Das Vorhaben betrifft zwar keine sehr große Gruppe von Menschen, ist aber für die Wahrung von deren Grundrechten von erheblicher Bedeutung - und zudem von grundsätzlicher Brisanz, da es um das Verhältnis von biologischem Geschlecht und dessen normativer Wahrnehmung geht. Die für das Thema zuständige Abteilung im Hause Schily wollte schon im Oktober 2001 von Experten und Betroffenenverbänden wissen, welche Erfahrungen sie mit dem Transsexuellengesetz (TSG) gemacht haben. Die Antworten sind bis heute noch nicht ausgewertet worden. Das geht aus der jetzt veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Konsequenterweise kündigt das Bundesinnenministerium deswegen auch an, in dieser Legislaturperiode keinen Entwurf für die Reform des Transsexuellengesetzes mehr vorzulegen. Während Kleine Anfragen der Fraktionen von den zuständigen Ressorts der Bundesregierung nämlich innerhalb von 14 Tagen beantwortet werden müssen, können sie sich auch für angekündigte Gesetzesvorlagen so viel Zeit lassen, wie sie wollen.

Die FDP, die es nach dem Ausscheiden der bislang in Sachen sexueller Minderheiten engagierten PDS-Abgeordneten Schenk offensichtlich übernommen hat, die Rechte Transsexueller zu vertreten, wollte in ihrer Kleinen Anfrage vor allem wissen, ob die Bundesregierung daran denkt, auch im Paßrecht die Grundrechte Transsexueller zu wahren. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1996 geurteilt, daß Transsexuellen, die nach Paragraph 1 TSG vorerst nur ihren Vornamen geändert haben, ein Grundrecht darauf haben, daß sie so angeredet werden, wie es ihrem neuen Vornamen entspricht. Im Paß steht dagegen, was gerade bei Grenzübertritten zu Problemen führt, weiterhin das alte Geschlecht. Es gibt noch weitere Gründe zur Kritik am vierundzwanzig Jahre alten Transsexuellengesetz - und sie sind, so wie die unterschiedlichen Positionen von Experten und Betroffenen, seit Jahren bekannt. Während etliche Sexualwissenschaftler verlangen, daß die Geschlechtsumwandlung in stärkerem Maße als bisher psychotherapeutisch begleitet wird, lehnen viele Betroffene das ab. Weithin Einigkeit herrscht aber darüber, daß die im Transsexuellengesetz für die Anerkennung des neuen Geschlechts verlangten Operationen und Hormontherapien, die eine "deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts" bewirken sollen, schädlich sind. Auch der Zwang, vor der Personenstandsänderung, die aus einem geborenen Mann eine rechtlich anerkannte Frau macht (und umgekehrt), eine bestehende Ehe zu scheiden, wird von vielen Experten und Betroffenen kritisch betrachtet. Das gilt auch für die gegenwärtig geltende Regelung, die vorsieht, daß von Amts wegen die Änderung des Vornamens von Transsexuellen wieder rückgängig gemacht werden muß, wenn der oder die Betreffende nach der Vornamensänderung ein Kind gezeugt oder geboren hat.

Weiterführende Links

    Das Transsexuellengesetz | http://www.dgti.org/tsg.htm
    Wikipedia zu Transsexualität | http://de.wikipedia.org/wiki/Transsexualit%E4t
    Kritischer Aufsatz zu Konzepten von Transsexualität von Ulle Jäger | http://www.hgdoe.de/pol/jaeger.htm

 

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